Schöpfungsmythos

© Gisa, September 2016

Warum ein Schöpfungsmythos ein Mythos ist? Nun, weil zu der Zeit der ersten Schöpfung noch niemand da war, der es hätte dokumentieren können. Somit sind Evolutionslehre und Astrophysik auch ein Mythos – und sie werden es immer bleiben. Was wir vielleicht im Kosmos erkennen können, ist ein Echo. Die Schöpfung selbst wiederholen wir als Geschöpf – im Kleinen. Die Ursprung setzende Schöpfung jedoch werden wir auch in Zukunft nicht erleben. Wir können nur entscheiden, welchem Mythos wir Glauben und unser Gehör schenken.

Die Schlange[1] als lebendes Labyrinth und Symbol

Einer der 6 Urworte lt. Fester ist „KALL“ (und Variationen davon) und bedeutet Frau / Mutter / Zuhause. Die indische Göttin Shakti-Kali, die sich mit ihrem Heros Shiva verbindet, schildert die Entstehung des Lebens in einer Spirale mit sich vergrößernden und immer enger werdenden Kreisen (keine Gegensätze!). Aus diesen haben wir Frauen das Labyrinth als Weg durch das Leben entwickelt. Solche Symbole finden sich überall auf der Erde (sie sind hier nur im Beispiel Kali geschildert). Bei der Bewegung der Spirale ins Zentrum entwickelt sich Leben (Wahrnehmung durch die werdende Mutter – der zweite, rote Aspekt der Göttin).

Die Mysterien von Leben, Geburt und Tod
– Zerstörung, Liebe und Schönheit:
Aus körperzerreißendem Blut-Schmerz
entsteht die geflüsterte Zartheit der Liebe
für das geschaffene Wesen.

(zit. Barbara Mor[2])

Wenn wir auf einen pelasgischen Schöpfungsmythos zurückgreifen, so schildert sich das als…

Eurynome, die Göttin aller Dinge. Nackt erhob sie sich aus dem Chaos. Aber sie fand nichts Festes, darauf sie ihre Füße hätte setzen können. Sie trennte daher das Meer vom Himmel und tanzte einsam auf seinen Wellen. Sie tanzte gen Süden; und der Wind, der sich hinter ihr erhob, schien etwas Neues und Eigenes zu sein, mit dem das Werk der Schöpfung beginnen konnte. Sie wandte sich um und erfasste diesen Nordwind und rieb ihn zwischen ihren Händen. Und, siehe da! Es war Ophion, die große Schlange. Eurynome tanzte, um sich zu erwärmen, wild und immer wilder, bis Ophion, lüstern geworden, sich um ihre göttlichen Glieder schlang und sich mit ihr paarte. So ward Eurynome … schwanger.

(zit. Robert von Ranke-Graves).

G00002-500, Medusa

Indem die Große Göttin sich mit der Schlange verbindet, belebt sie das Schöpfungsei. Indem sich zwei Schlangen in dem Ei befinden, wecken sie es und bringen es ins Leben.

Interessant ist hier gerade diese Schlangenvorstellung, denn in der heutigen Wissenschaft befindet sich in einem begatteten[3] Ei eine Doppelhelix. Helix ist lateinisch und bedeutet Windung, Gewinde, also die Bewegungsart der Schlange. Zwei Schlangen stellen eine doppelte Helix dar; parallel, also im Einklang miteinander –das Männliche und das Weibliche.

Dieser Mythos beschreibt, dass die Schlange das erste und ursprüngliche Tier der Großen Göttin ist. Eine Schlange kann widerstandslos wie eine Welle im Wasser oder ein Luftzug ihren Weg finden. Sie befördert Leben, dass die Göttin geschaffen hat. Sie ist der Heros / Held der Göttin und damit ihr lebendiges „Werkzeug“.

Alles Geschöpfte[4] ist Teil der Großen Göttin, das diese aus sich hervorgebracht hat; also die Göttin selbst. Die Schlange ist lebende Seelen- und Schaffenskraft der Göttin. In späterer Zeit wird die Schlange dann auch als Symbol der Heilungskraft verstanden. Schlangen durchdringen die Erde; so wird die Schlange als Python die Hüterin des Pythischen Orakels, wo die Göttin über ihre Priesterin spricht (Delphi).

Bei Marien-Skulpturen werden Mond und/oder Schlange oft zu Füßen der JungenFrau platziert. Behauptet wird, dass Maria so die Schlange mit Füßen (zer)träte. Wir können das jedoch auch anders betrachten: Maria steht auf dem Grundsatzprinzip der symbolischen Mond-Schlange, indem sie als Mutter aller Götter (Gott, Teufel, hl. Geist u.v.a.m. in Form von Elochim) das Leben in Erscheinung treten lässt. Was auch immer Maria in solchen Darstellungen als Beiwerk haben könnte – es sind häufig die Mondschlange und der Sonnenkranz als Ausdruck ihrer Kraft, die sie als Schöpferin ausübt.

Maria ist eben NICHT der göttliche Brutkasten, sie erschafft das irdische Leben aus sich heraus. Als Lilith ist sie die begeisterte Geliebte, als Eva die sorgende Mutter, als Sophia auch die Heilige Geistin. Das sind die drei Emanationen der Großen Göttin: Jung(e)Frau in Weiß, Mutter in Rot und weise Alte in Schwarz. Das Labyrinth / die Schlange verbindet all diese Anteile miteinander, denn als solche ist sie die göttliche Lebenskraft und schließt den Kreis (die Schlange, die sich in den Schwanz beißt).

Als Ouroboros[5] ist sie das Symbol des geschlossenen Kreises als nahtloser Übergang zwischen Anfang und Ende, als Ewigkeit. Diese Schlange ist in der ägyptischen Mythologie die Große Göttin, die durch Geburt, Leben, Übergang in die Höhle / Paradies und Wiedergeburt bis in alle Ewigkeit das Leben selbst ist.

Deswegen ist die Schlange auch im Kopfschmuck der Pharaonen zu suchen. Der Sonnengott Ra scheint ihnen nicht verlässlich genug gewesen zu sein, um die Wiedergeburt zu garantieren. Nun ja, Pharaonen ließen sich trotz allem vorsichtshalber einbalsamieren. Kein Zutrauen in die Schöpferkraft ihrer männlichen Gottheit J Viele Religionen halten sich die Option einer zweiten Glaubensausrichtung offen, ähnlich den Buddhisten.

Das Ei als Trägerin der Schöpfung

Eigentlich und im Kern braucht die Große Göttin keinen männlichen Partner zur Erzeugung der Schöpfung. Da sie bereits alles ist, was ist, ist auch alles aus ihr heraus schöpfbar, was nötig sein könnte. Unsere Ur-VorfahrInnen haben sicherlich darauf verzichtet, sich dabei einen göttlichen Mann vorzustellen. Erst vor ca. 7-8 Tausend Jahren wurde die Schlange zum Phallus und somit Teil des Schöpfungsprozesses. Nehmen wir also einfach mal an: die Große Göttin hatte Freude am Sex und somit einen Partner.

Das Ei ist ebenfalls ein sich in allen Kulturen wiederholendes Schöpfungssymbol; als Weltenei wurde es von den Kelten übernommen. Ebenso findet sich bei diesen die Schlange wieder, die an der Wurzel des Weltenbaumes ruht. Diese Anteile dürften also von den erobernden Patriarchen übernommen worden sein, weil diese Symbole die Religionsvorstellungen die Basis so gravierend gestaltet haben. Patriarchat funktioniert nach dem Muster, „was ich nicht ausrotten kann, übernehme ich und forme es um“ (meist in kriegerische Ansätze[6]). So wurden die das Ei tragende Frauen zum Brutkasten und die Schlange zum bösen, seelenlosen Tier.

Anmerkung:

Das Ei ist bereits die fertige „Frucht“, falls jemand an „Befruchtung“ denkt. Der genetische Code der Mutter hat bereits bewiesen, dass diese Ausrüstung ausreichend ist, ein vollständiges Leben zu gewährleisten. Würde sich statt mit Meiose [einfacher Chromosomensatz, gedoppelt durch den zweiten Satz des Mannes] das Leben per Mitose [doppelter Chromosomensatz der Mutter] neu gebären, so wären diesem Leben alle Voraussetzung mitgegeben, es auch zu können. Die Meiose gewährleistet nur eines – Abwechslung und vermehrte Entfaltung unterschiedlicher Anlagen. Mit der Mitose blieben die Anlagen grundsätzlich immer dieselben, obwohl auch hier viel Auswahl vorhanden ist. Der männliche „Staub“ [meiotische Ergänzung in Form von Spermie] entspricht dem Bestäubungsakt bei Pflanzen, die auch einen bereits fertigen Samen dafür parat halten. Im Gegensatz zu Pflanzen können wir keine Rhizome bilden, die sich über die Wurzel im Erdreich ausbreiten. Wir haben Beine und können weit laufen. Wenn wir zu „Neophyten“ werden, dann deshalb, weil wir erst aus-, dann eingewandert sind.

Die Vier Elemente als Symbol

Aufgeteilt in Feuer, Erde, Wasser und Luft stellen sie symbolisch die gesamte Schöpfung dar. Elemente sind also der Ausdruck der Schöpferin, die handfeste, materielle Form.

Die Luft als Ophion haben wir schon kennengelernt. Es ist die alles verbindende Ewigkeit des Seins – auch als Lemniskate bekannt.

137 Anfang und Ende a,400

Keine Sorge, die Schlange frisst sich selbst nicht auf; das ist ein patriarchaler Kriegsgedanke. Als Lemniskate verbindet sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einer Einheit des Seins. Dieses verbindende Element wird auch dem Element „Luft“ zugesprochen, denn damit symbolisiert es die Sprache und den Austausch, die Kommunikation. Ich zitiere die Bibel (alle sog. „heiligen“ Bücher greifen auf Frauenwissen zurück!):

Am Anfang war das Wort
und das Wort war in Gott
und Gott war das Wort… (Joh. 1.1ff, NT)

Umformuliert auf die Große Göttin:

Am Anfang war die Große Göttin.
In ihr ruhte die Schöpferkraft
so war die Große Göttin die Schöpferkraft selbst… (Gisa)

Diese Schöpferkraft ist auch Tatkraft, symbolisch mit dem Feuer umschrieben. Der Erdkern ist feurig. So wurde dann bei der Abspaltung durch das männliche Pantheon diese mit dem Namen Hephaistos belegt. Zurück zur Großen Göttin: Hephaistos ist der Heros des Feuers wie Ophion der Heros der Luft ist.

Als Zentrum dieser Schöpferkraft wird das unterste Chakra bei der Frau angenommen: das Chakra, das die genitalen Schöpfungsorgane antreibt. Tatkraft treibt das Machbare an, damit ist diese Kraft die „Macht“.

Um diesem Impuls Leben zu verleihen, verlagern wir den Aktionsraum in die Höhle, die Gebärhöhle / Gebärmutter. Dort fließt Wasser und transportiert alle Stoffe des Lebens. Symbolisch im Pantheon als Neptun benannt.

In der Erde wächst alles heran, weil die ebenfalls wieder jung werdende Schwarze Göttin Hekate (nun Kore genannt) es nährt und schützt. Hekate / Kore macht das alte→neue Leben fähig, auf der Erde zu wandeln. Dazu wirkt sie von „unten“, denn sie wärmt ihr Geschöpf, schützt es und baut es zur Wiedergeburt auf (der Granatapfel der Kore, der aus der Tiefe heraus wirkt).

Granatapfel 04_1000

Mit der Geburt (Feuerkraft) gelangt das Geschöpf auf die Erde (materielle eigenständige Form). Es nimmt alle Informationen in sich auf (Luft) und es fließt mit dem Leben (Wasser, Lemniskate). Nun übernimmt der Demeter-Aspekt die Versorgung.

Reich an Erfahrung und Wissen verhilft die Schwarze Göttin, wenn der Körper alt und hilfsbedürftig geworden ist, der Wesenheit, wieder den Weg zurück ins Paradies zu finden. Hekate ist dieser Aspekt, wenn sie ihre Geschöpfe an die Hand nimmt, um sie in der Unterwelt / der Anderswelt mit neuen Kräften auszustatten.

Anmerkung:

Interessant ist: einen Bauern-Gott habe ich in keinem Pantheon bisher gefunden. Das Patriarchat scheint diesen Job bei den Frauen gelassen zu haben. Nun, es macht Arbeit, ein Feld zu bewirtschaften. Da ist es schon deutlich heiterer, im Gymnasium den Körper zu stählen und im Wettkampf zu beweisen, dass man der Stärkere ist.

Die Schöpfung – mein Mythos

Eurynome, die Göttin aller Dinge.
Nackt erhob sie sich aus dem Chaos. Aber sie fand nichts Festes, darauf sie ihre Füße hätte setzen können.
Sie trennte daher das Meer vom Himmel und tanzte einsam auf seinen Wellen.
Sie tanzte gen Süden; und der Wind, der sich hinter ihr erhob, schien etwas Neues und Eigenes zu sein, mit dem das Werk der Schöpfung beginnen konnte.
Sie wandte sich um und erfasste diesen Nordwind und rieb ihn zwischen ihren Händen. Und, siehe da!
Es war Ophion, die große Schlange. Eurynome tanzte, um sich zu erwärmen, wild und immer wilder, bis Ophion, lüstern geworden, sich um ihre göttlichen Glieder schlang und sich mit ihr paarte.
So ward Eurynome schwanger.

Erynome wandte sich um, blickte auf die Tiefen und schuf die Erde. Mit ihrem Heros Hephaistos bildete sie Berge und Täler. Neptun, ein anderer Heros, flutete den größten Teil mit Wasser. Ophion überdachte alles mit Wolken und Winden.

So bildete Erynome als Gaja eine paradiesische Erde, auf die sie das Ei legte, befeuert durch die zwei Schlangen, die es erweckt hatten. Es breitete sich alles aus. Das Leben erstrahlte als Ozean, als Stein, als Pflanze und als Tier.

Erynome fühlte sich wohl, denn ihre Schöpfung war ihr gut gelungen. Sie senkte ihre Hände in den Boden und gestaltete zwei Wesen, ihr gleich in Aussehen und Ausdruck. Dann legte sie diese in ein weiteres Ei und rief Ophion herbei. Wieder tanzte sie, immer ekstatischer, immer wilder. Erneut konnte Ophion nicht anders und vereinigte sich mit ihr. Nun hatte auch dieses Ei seinen Lebensimpuls und wuchs heran. Erynome war schwanger mit ihren Kindern, den Menschen-Wesen.

Die Menschen gediehen prächtig und machten die Große Göttin stolz. Um das stete Leben zu unterstützen, erschien sie ihnen als Kore, die Weiße Göttin, wenn das Frühjahr sich ausbreitete. Als Rote Göttin Demeter sorgte sie für Wachstum und Nahrung, behütete und beschützte sie. Als Hekate, die Schwarze Göttin, zeigte sie ihnen den Weg in die Wiedergeburt. Dazu wanderte sie mit ihren Kindern in die Anders-Welt, wo Hephaistos schon ungeduldig auf sie wartete. Er hatte ihr, damit sie sich seiner erinnerte, eine Granatfrucht geschenkt, die sie gerne annahm. Diese Frucht verjüngte auch sie, sodass sie als Kore mit ihren Kindern jedes neue Jahr bilden konnte.

So gestaltete Erynome das Leben als ewigen Kreislauf und feierte seine Schönheit.

 7.4

 



[1] Galaktische Spiralarme haben verblüffende Ähnlichkeit mit diesem Symbol.

[2] zit. Barbara Mor, Monica Sjöö, Wiederkehr der Göttin, Labyrinth-Verlag

[3] Niemals „befruchten“ sagen oder schreiben. „Bestäuben“ ist ausreichend und wird dem Vorgang gerecht. Die Frucht, nämlich das Ei, ist längst vorhanden. Nötigenfalls könnte es auch parthenogenetisch ausgetragen werden. Das würde die Schöpfung zwar der Vielfalt berauben, aber diese vor dem Aussterben bewahren.

[4] Aus einem Gefäß / Krug können wir schöpfen. Insofern ist es gut nachvollziehbar, das der Heilige Gral und die Büchse der Pandora als Gefäß verstanden wurden. So kommt es zum Ausdruck „Schöpfung“. Alles ist aus dem Sein der Großen Göttin geschöpft.

[5] Natürlich männlich missverstandener Name: Οὐροβόρος „Selbstverzehrer“. Sie verzehrt sich nicht, sie bleibt im Anschluss an alles Sein.

[6] Ansätze, die fast alle Patriarchate bedient haben. Heilige Quellen / Bäume wurden, wenn sie nicht vernichtet werden konnten, überbaut oder umfunktioniert. Die behütende Göttin wurde auf eine Quellnymphe reduziert und im Laufe der Zeiten vergessen.

 

weiterlesen

Dieser Beitrag wurde unter Frauen, Genesis, Gesellschaft, Große Göttin, Religion und Gesellschaft veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.