Die ideale Gesellschaft, 7

Dies bringt uns zur Christusvorstellung:

Diese (geschichtlich zwar nicht gesicherte) Gestalt brachte einen neuen Akzent in das hierarchische Leben des Altertums. Jesus propagierte Liebe und Harmonie als die Basis einer gesunden Gesellschaft. Damit stellte er sich der alten institutionalisierten Priesterschaft des judäischen Reiches diametral entgegen, er bedrohte indirekt die Herrschaftsprinzipien, in denen jeder Mann nach eigenem Gutdünken über seine Frau und Töchter als Handelsware verfügen konnte. Wenn der Wert der Ware durch Alter oder fehlende Jungfräulichkeit fraglich war, so konnte man sie steinigen lassen, indem man ihnen fremden Geschlechtsverkehr vorwarf; das Problem von Ernährung und Unterhalt war damit vom Tisch. Dass sich Jesus vor einen solche Frau stellte und die Steinigung mit den Worten „Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein!“ verhinderte, empfand das System als ernstzunehmende Bedrohung.

Auch brachte dieser Jesus Frauen als erfolgreiche Jüngerinnen ins Spiel, was die spätere Amtskirche dadurch in Abrede stellte, dass sie die entsprechenden Dokumente als „apokryph“, also als Märchen und Legenden bezeichnete. So sind zum Beispiel das Evangelium der Maria, des Stephan und des Thomas aus dem Neuen Testament verbannt worden. Ausgerechnet eine Hure, also eine Frau, die mit dem bezahlten Geschlechtsverkehr ihr Geld verdiente, weil sie vermutlich ihren Herren und damit Lebensunterhaltzahler verloren hatte (oder verstoßen worden war), war die Frau, die als erste nach Jesu Tod mit ihm sprach und der er sagte, dass er seinen Jüngern später erscheinen würde.

Jesus brach also mit allen patriarchalen Gewohnheiten und Vorstellungen, versetzte das System in Angst und Schrecken, so dass sich die Betroffenen versuchten, sich seiner durch unterstellte missliebige politische Aktivitäten zu entledigen: Er hätte behauptet, die Herrschaft zu übernehmen als „König der Juden“.

Etwas hundertfünfzig Jahre erhielt sich die Lehre Jesu in einer einigermaßen reinen Form. Doch dann beschlossen Staat und eine bereits institutionalisierte Kirche, die Dogmen und Richtlinien des Glaubens festzuschreiben. Dabei grenzten sie die Frauen erneut aus dem kirchlichen und politischen Bereichen wieder aus, um die Führung patriarchal fest in die männlichen Hände zu nehmen.

Mit heiligen Kriegen und einer Okkupationspolitik ohne gleichen überzogen sie erst Mittel- und Nordeuropa (Karl der Große soll, sollte er tatsächlich existiert haben, 600 Sachsenfürsten umgebracht haben, weil sie nicht zum Christentum übertreten wollten), rotteten alle keltischen Naturrituale und Jahreszeitenfeste aus, verdrehten erfolgreich in Mythen verankertes Wissen, um später mit Beginn der Neuzeit auch andere Kontinente mit den Segnungen der christlichen Kirche zu überziehen, um durch Ausbeutung und Überfälle möglichst des Restes der Welt sicherzustellen.

Von der Möglichkeit, die Jesus als Mittler des Göttlichen angeboten hatte, blieb wenig übrig. Viel zu ähnlich waren seine Ansichten vermutlich zum Heros der Großen Göttin[1]; ein Umstand, der vermutlich sehr zur erfolgreichen Christianisierung beigetragen haben dürfte. Der Entzug der Rechte der einen Hälfte der Menschheit, nämlich der Frauen, erfolgte in kleinen Schritten, für den Einzelnen vermutlich kaum spürbar.

So haben Okkupationen und Machtübernahmen über Jahrtausende hinweg zu einer dominierenden Männergesellschaft annähernd der ganzen Welt geführt, in der nur angepasste Frauen, wenn überhaupt, eine gesellschaftliche Chance eingeräumt bekommen.


[1] auch diese gebar einen Sohn, der als Mittler zwischen den Welten fungierte. Diesen heiratete sie bei der Heiligen Hochzeit, deren Zeremoniell durch die entsprechende Feier der Menschen wiederholt und damit geehrt wurde.

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