The Baby

„The Baby“ war der Name der Atombombe, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges über Hiroshima abgeworfen wurde; die Flugzeugbesatzung hatte sie so getauft. „Friedensbringer“ soll ebenfalls einmal ein amerikanischer Politiker eine Atombombe genannt haben. (1984)

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Es war einmal vor langer Zeit

ein Land, das hieß Beschaulichkeit.

Hier lebten Menschen, deren Ziel

war Ruhe und des Glückes viel.

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Da traf ein riesengroßes Ding

dies Land, in dem es Feuer fing.

Der Brand lief weit und hoch durch’s Land.

Feld, Wald und Wiese ward verbrannt.

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Die Kinder, Tiere, Männer, Frauen

versuchten wieder aufzubauen,

was Flammen fraßen und zerstörten,

während die Herzen sich empörten.

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Keiner verstand, was da gescheh’n;

drum sollte bald ein Bote geh’n,

um rauszufinden jenen Grund,

der mit dem Teufel stand im Bund.

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Aus ihrer Mitte wählten sie

Babette, die Frau mit Phantasie.

Sie sollte alle Nachbarn suchen:

im Land des Lachens, Weinens, Fluchens.

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Babette zog los auf lange Fahrt.

Sie reiste auf verschied’ne Art.

Mal ritt sie einen weißen Hund,

mal flog sie Vögel, schön und bunt.

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So kam sie viele Wochen später

ins Land der laut lachenden Väter.

Hier fand sie schon nach kurzer Zeit

die Zeichen steter Traurigkeit.

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Sie fragte diesen, fragte jenen,

wie hierher soviel Tränen kämen.

Wie sei es möglich, daß im Land

des Lachens sie das Weinen fand.

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Die Menschen blickten trüb sie an:

Daß es mit einem Ding begann,

erfuhr sie; dick und rund

sei es für einen Großbrand Grund.

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Die ganzen Städte, Dörfer, Felder

seien zerstört, verbrannt die Wälder.

Man hätte viel dafür gegeben,

zu schützen aller Wesen Leben.

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Doch -ach- gegen solch‘ groß Gewalt

versagten alle Kräfte bald.

So sei die große Traurigkeit

inzwischen ihre Wesenheit.

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Babette erzählte ihrerseits,

daß in ihr Land vor ein’ger Zeit

geflogen kam ein solches Ding,

das überall gleich Feuer fing.

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Auch ihr Land sei zerstört und leer.

Beschaulichkeit sei ihr nun schwer.

Sie suche überall den Grund;

so sei das Leben nicht gesund.

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Und auch die Lächler, voller Qual,

schritten sofort zur Botenwahl.

Sie fanden Hannes, einen Mann,

der mit Babette den Weg begann.

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Zu zweit begaben sie sich fort.

Ihr Schritt bracht‘ sie von Ort zu Ort.

So langten sie nach vielen Meilen

ins Land, wo tausend Tränen weilen.

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Babette ging zu der ersten Tür.

Sie fragte nach der Mutter hier.

Und eine alte Frau voll Schmerz

zog sie zu sich bedrückt ans Herz.

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„Mein Kind, ja weißt Du nicht, warum

in unserm Land manch‘ Rücken krumm?

Weshalb so oft voll Gram und Pein

ich weine manches Tränelein?

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Vor Jahr und Tag schon flog heran

solch Ding, und tot war Frau und Mann.

Sag, Kleines, muß ich noch erwähnen,

warum dies ist das Land der Tränen?

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Entsetzen, Trauer, Einsamkeit

zerschlug dies Land im Lauf der Zeit.

Willst Du den Grund, dann mußt Du suchen

im Land des Hasses und des Fluchens!“

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Babette und Hannes standen stumm.

Sind Menschen wirklich gar so dumm,

daß sie dem Nächsten bringen Leid,

Verzweiflung und auch Einsamkeit?

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Drauf rief der Hannes in den Wind

nach seinem Freund, dem Adler >Gschwind<.

Der Vogel kreist zur Erd‘ herab

zu Hann’s, der ihm den Namen gab.

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„Was ist dir, Freund, was Dein Begehr?

Sag Deinen Wunsch, und ist’s auch schwer,

für Dich werd‘ alles ich versuchen!“

„So bring uns in das Land des Fluchens!“

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Der Vogel nahm sich sehr in Acht,

und seine Klauen mit Bedacht

ergriffen vorsichtig die Zwei.

Dann macht er sich vom Boden frei.

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Er schwang sich hoch, durchflog den Tag,

erreicht‘ das Land, das drunten lag,

des Fluches und des Hasses Land,

wo dieses Ding den Ursprung fand.

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Babette und Hannes traten nun

in dieses Land ohn‘ auszuruhn.

Geschwind, der Adler, flog zurück,

er schenkte diesem Land kein‘ Blick.

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Dies Reich, es zeigte sich im Kleid

der großen Unerträglichkeit:

Die Tiere, Büsche, Blumen, Bäume

erschienen wie in bösen Träumen.

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Die Städte, groß und weit gespannt,

durchzogen häßlich dieses Land.

Die Menschen wirkten müd‘ und alt,

die Herzen schienen trüb und kalt.

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Babette und Hannes griff’s ans Herz,

nur Angst, nur Furcht, unsagbar Schmerz.

Sie schlichen durch die Straßenschluchten,

die auch die Menschen hier verfluchten.

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Und sie erkannten mit der Zeit

das Grau’n einer Persönlichkeit,

die eisern schlug mit Angst und Pein

bedrückend in den Kern, ins Sein.

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Dies ICH hieß ER, dies war sein Nam‘,

Er brachte Kummer, Pein und Gram.

Wo immer ER den Menschen traf,

verlor der seine ganze Kraft.

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Dies Land war kontrolliert und leer.

Befehl war Zwang – unendlich schwer.

Die Menschen hier war’n ohne Leben,

ohne Gefühl und ohne Streben.

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Babette und Hannes fanden bald

in einem nassen Schuppen alt,

krumm und gebeugt ’nen greisen Mann.

„Ob der uns vielleicht helfen kann?“

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„Vergeßt, was euer Auftrag war`

Glaubt mir, bald greift euch SEINE Schar!

Bald weiß ER, daß ihr bei mir seid,

gegen den Robot nicht gefeit.

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Maschinen kontrollier’n dies Land,

die einst der Mensch als Hilf‘ erfand.

Sie sind entglitten seinem Wollen:

Nun zwingt’s die Menschen, was sie sollen!“

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Hannes begriff, welch großes Grauen

er konnte in der Zukunft schauen.

„Wofür steht ER, was ist da los?“

„Das ist der Comput, der Koloss!“

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Er ist ein maschineller Brocken,

den einst die Technik fand verlockend.

Das Großhirn, das den Robots sagt,

das alles weiß, das niemals fragt.

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Mein junger Freund, der Koloss zwingt

zu tun, was fremdes Woll’n bedingt.

Doch dieses Woll’n ist Euer Glück,

denn niemals führt ein Weg zurück!“

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Und grad in selbigem Moment

ein eisern Ton die Türe sprengt.

Herein gelangen acht Gesellen,

den‘ eisern große Muskeln schwellen.

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Entsetzen packt Hann’s und Babette,

– der alte Mann war doch so nett!

„Koloss ist meine Kreatur,

sie folgt drum meinen Wünschen nur.

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Weil ich der Welt die Ordnung bring,

weil ich ihr meinen Will’n aufzwing,

wird bald vernichtet sein all das,

was bricht mit meiner Regel Maß.

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Dein Ding, das ist mein >Friedensbringer<,

und ich bin dieser Welt Bezwinger!

Doch wollt ihr nicht getreu mir sein,

dann schlag ich Euch den Schädel ein!“

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Erstarrt in Schrecken und in Grauen

zwingt ER Babette und Hann’s zu schauen,

was kranker Geist zu schaffen glaubt,

indem er allen alles raubt.

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Die Robots greifen nach den beiden,

um sie dann vor sich her zu treiben.

Ein Berg eröffnet seinen Schlund,

der bodenlos und ohne Grund.

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Versunken sind sie schon zu zweit

und ohne Willen bald bereit,

zu bau’n das nächste runde Ding,

das dieser Welt ihr Heil so bring‘.

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