Der Träumer

(1983)

*

Es ist des Menschen größter Traum,

niemals zu fallen, fehlen;

und trotzdem sitzt er auf ‘nem Baum,

aus Höhe zu befehlen.

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Und denkst Du, daß er in der Angst

vorm Fallen unten bliebe?

Er klettert, ob Du nun auch bangst,

im Baum der jungen Triebe.

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Und immer höher will er raus,

wenn‘s geht, gar auf die Spitze –

vorbei an Blüte, Blatt und Laus

bis zu der Sonne Hitze.

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Da sitzt er nun im Höhenrausch,

der Wind bläst um die Nasen.

Und jedem unter ihm er lauscht

wie einem kleinen Hasen.

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Und dann passiert‘s – Er scheint‘s zu spürn,

der Höhenängste Marter.

Doch keine Wege, die ihn führn.

– Und keine Freunde, Partner!

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Nun tut er so, als ob‘s nicht weit.

Er sucht sich zu betrügen.

Erst kaum, dann schneller mit der Zeit

muß er sich darein fügen.

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Das Schicksal zwingt ihn, Schritt für Schritt!

Den Sturz nach unten ahnend

sucht er den Weg, setzt Tritt vor Tritt,

die Strecke für sich bahnend.

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Und dann – er weiß es; er begreift

im Fallen seine Dummheit!

Sowie ihn der Gedanke streift,

bremst ihn zum Halt die Weisheit.

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Nun sitzt der Mensch eins tiefer dort

im Astwerk seines Baumes;

nach oben zieht ihn nichts mehr fort,

kein Gaukel seines Traumes.

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Er weiß, je höher er auch steigt,

je tiefer kann er fallen.

Nur Klugheit ist es, die ihm zeigt,

am Grund nie aufzuprallen.

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