Erste Begegnung

Es war kalt, so kalt, daß fast alle meine Haare senkrecht standen. Die Luft brannte in der Nase. Das Pflaster war naß und meine nackten Fußsohlen schienen daran festzuwachsen, während ich sie weniger und weniger spürte. Ich fühlte mich einsam in der Dunkelheit. Um mich herum ragten dunkle Kolosse auf, die irgendwo auf ihrem Körper hellen eckigen Flecken hatten. Über mir spannte sich der Nachthimmel, der erdrückend schwarz wirkte. Einzelne Lichtquellen um mich herum sandten einen mäßigen Schimmer auf die Gegend, in der ich verloren und von meiner Mutter verlassen hockte. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Mein Magen knurrte und mein Körper zitterte.

Plötzlich hörte ich hinter mir Schritte, es mußten mehrere Wesen sein, die auf mich zukamen. Ich hatte keine Kraft mehr zu fliehen und blieb einfach sitzen. Die Warnung meiner Mutter, solchen Geräuschen auszuweichen, konnte ich nicht mehr befolgen. Um mich herum wurde es dunkler, als sich ein langer Schatten über das Pflaster ergoß. Dann saß ich wieder im Schein eines der Lichter.

„Schau mal, ist die nicht süß? Das muß eine ganz junge Katze sein!“ Ich schaute hoch. ‚Na, hört mal! Katze! Ich bin ein Kater! ‘ dachte ich empört, als ich mich von zwei Vorderfüßen vorsichtig in die Luft emporgehoben fühlte. Ich spürte den warmen Atem eines dieser großen Wesen. Dann stieß ich mit meinem Gesicht gegen eine kalte durchsichtige harte Wand, hinter der ein Auge des Wesens war. Ein Stückchen weiter war noch so eine Wand mit dem zweiten Auge. Große Augen waren das und sie sahen hübsch aus, weil sie ganz lange Haare daran hatten.

„Du kannst sie ja mitnehmen. Katzen sind nachtaktiv. Während Du Deinen Dienst in der Klinik machst, kann die Kleine die Gegend unsicher machen. Den Tag verbringt Ihr beide dann zusammen und schlafend. Das paßt doch!“

Die Stimme, die das sagte, war viel tiefer als die des Wesens, das mich hochgehoben hatte. Sie klang sympathisch. Mutter schien wenig von diesen Wesen zu verstehen, so gefährlich konnten sie doch nicht sein!

„Nun laß uns weitergehen, setz die Katze wieder hin. Die wird ihr Zuhause schon wiederfinden!“

Oh, ob Mutter doch recht hatte? Wieder auf den kalten Boden und vor Hunger und Frost fast umkommen?

„Nein, laß mal! Deine Idee ist gut! Die Kleine kommt mit! Wenn sie jetzt nicht Zuhause ist und bei ihrer Mutter, dann ist sie hier in der Stadt verloren. Im Restaurant kommt sie einfach in meine Manteltasche. Ich passe schon auf.“

Ich wurde wieder zum Gesicht hochgehoben. Das Maul des Wesens berührte mich ganz sanft an meinem Fell, dann versenkte mich die eine Vorderpfote in einem dunklen Sack. Das mußte die „Manteltasche“ sein, von der eben die Rede war. Ich rollte mich also zusammen, schließlich war es hier warm und trocken. Leise knurrte mein Magen, dann schlief ich ein, während die Manteltasche mich schaukelte. Ich war abgrundtief müde und erschöpft.

Ein plötzliches jammerndes Geräusch, das ich noch nie gehört hatte, riß mich aus meinen Träumen. Helles Licht strahlte in den Sack und blendete mich.

Entsetzt erstarrte ich zu absoluter Bewegungslosigkeit.

Was war das?!

„Setz Dich. Die Gruppe, die hier jeden Abend spielt, ist absolute Spitze, das Essen ist hervorragend und der Wein derart süffig, daß Du aufpassen mußt, wenn Du Deinen Führerschein behalten willst“, sagte das Wesen mit der dunklen Stimme.

Das Geräusch veränderte ständig seine Tonhöhe. Vorsichtig versuchte ich, aus dem Sack zu schauen, um herauszufinden, wer oder was diesen Katzenjammer verursachte. Sofort erschien die Vorderpfote meines Wesens und schob mich vorsichtig aber bestimmt zurück. Ich versuchte es noch einmal, wieder wurde ich zurückgeschoben.

Nun ja, ich durfte wohl nicht gesehen werden. Also bemühte ich mich, die Mißklänge zu ignorieren, und rollte mich erneut zusammen. Kurz darauf war ich wieder eingeschlafen.

Als ich zu mir fand, schaukelte der Sack heftig und es war dunkler. Der Lärm war verstummt. Die Schaukelei war deutlich stärker geworden. Die Stimme meines Wesens klang irgendwie anders. Was jetzt wohl passierte?

Nach einiger Zeit hielt der Sack an. Dann klapperte etwas. Es knirschte und wieder leuchtete plötzlich Licht in meinen Sack. Nun schob sich die Vorderpfote zu mir herein, griff um meinen Körper und hob mich hinaus. Ich lag auf dem Rücken mit dem Bauch nach oben.

„Oh, was haben wir denn da? Das ist ja gar keine Katze, das ist ein Kater!“ Schau an, gerochen hatte dies Wesen zwar nichts, aber es schien gute Augen zu haben, die aber wohl nur funktionierten, wenn es richtig hell war. Es hatte also gemerkt, daß ich keine Katze war. Wurde ja auch Zeit!

Die Vorderpfoten trugen mich zu einer weichen Unterlage, die mich ein bißchen an das Nest erinnerte, in dem ich mit meiner Mutter gelebt hatte. Dann ging das Wesen auf seinen Hinterläufen durch den Raum und ich hörte ein leises Plätschern. Als es wiederkam, hatte es etwas Rotes in der Pfote. Das wurde nun vor mir abgesetzt. Vorsichtig schaute ich hinein und sah eine weiße Flüssigkeit, die angenehm roch. Ich streckte die Zunge heraus, um zaghaft zu kosten. Das war ja Milch! Irgendwie anders und schwer, aber Milch! Ich trank in langen Zügen, mein Magen rumpelte und kollerte, bis ich nichts mehr hineinkriegen konnte. Dann streckte ich mich ganz lang – ich war immer noch unendlich müde -, rollte mich wieder zusammen und schlief tief und fest ein.

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