Schleierhaftes

Gestern habe ich über Schador, Hidschab und Burka nachgedacht, also über die Verhüllung der Frau in islamischen Ländern. Ausgelöst wurden diese Überlegungen durch einen TV-Beitrag über Frauen in Saudi Arabien. Warum müssen Frauen verhüllt sein? Welche Gesellschaft besteht darauf? Was sind die Hintergründe.

Ich beginne mit den Hintergründen, um die Wurzeln dieses Verhaltens zu verstehen. Schließlich machen viele Frauen dies auch freiwillig, gut abzulesen hier in Europa, wo gesellschaftliche Zwänge nur dann bestehen, wenn sie familiär betont werden. Da ich einige Muslima persönlich kenne, weiß ich, dass sie dieses Schicksal in voller Absicht gewählt haben. Warum kann es so weit gekommen sein?

Wenn ich auf muslimisch verhüllte und verschleierte Frauen treffe, so habe ich zuerst den Eindruck, vor einer undifferenzierten, dunklen Wand zu stehen. Ich sehe nur Kleidung, bar jeder Individualität. Kein persönlicher Ausdruck. Keine individuelle Spielart. Hinter diesem Berg von Tuch und Stoff, oft in Schwarz, geht der Welt gerade alles verloren, was sie bereichern könnte. Warum ist dies so gewollt?

Schönheit, Attraktivität, Lächeln und Freude sind verborgen. Niemand interessiert sich dafür. Auch nicht dafür, ob die Frau dahinter etwas zu sagen hat. In einigen Kulturen läuft eine solche Frau hinter ihrem Mann her wie ein Hund, jeder Biegung des Weges und des Schrittes folgend. Hier in Europa gilt der Hund als eine Sache, ein Ding, das man besitzen kann. Diese Frau scheint ebenfalls Besitz zu sein, ein Ding, über das man verfügen kann wie immer man will. Frau ist zum Besitz geworden, auf den niemand anders Anspruch erheben kann. Dies spiegelt sich in vielen Sprachen, die, wenn sie etwas ausdrücken wollen, das allgemein gültig sein soll, es mit männlichen Wörtern und Pronomina ausdrücken: „man“ in Deutsch, „human“ = DER Mensch… Weibliche Menschen erscheinen als Widerspruch. Auch die Sprache spiegelt den Verlust der Weiblichkeit.

Ich versetze mich zurück in die Zeit meiner Jugend. Irritiert von männlichen Blicken, die meiner zweifellos guten Figur folgten, wusste ich nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte. Da ich überhaupt noch nicht wusste, was eine solche Figur bei den männlichen Mitgliedern meiner Gesellschaft auslöst, war ich eher verschreckt als angetan. Ich bevorzugte Kleidung, die meine Brust platt drückte; wählte Farben, die eher unauffällig waren. Wäre es Mode gewesen, mich hinter einem Schleier zu verbergen, hätte ich vermutlich darauf zurückgegriffen. Es entsprach nicht der damaligen Mode, also musste ich lernen, mit dem Verhalten meiner männlichen Mitmenschen umzugehen.

Es war zweifellos ein harter Weg, denn irgendwann versuchte auch einer dieser Männer mich zu vergewaltigen. Mit Glück und meinen schnellen Beinen – ich war inzwischen Leistungssportlerin – entkam ich dieser Attacke. Da ich lernfähig bin, entschloss ich mich nach einem Wiederholungsfall, Selbstverteidigung zu lernen. Von nun an war ich gewappnet. In den folgenden 20 Jahren musste ich weit mehr als zwanzig Mal davon Gebrauch machen. Ich tat dies mit vollem Erfolg.

Ich denke, dies zeigt, warum ein umhüllender Stoff von Frauen angenommen worden ist. Nicht jede beherrscht die Kunst der Selbstverteidigung; nicht jede hat die Möglichkeit dazu. Ein Teil des Hintergrundes wird folglich wohl dadurch bestimmt sein, dass Männer sich ständig als Gärtner betätigen wollen: sie sind zutiefst bemüht, ihren Samen in die Welt zu tragen. Selbstbeherrschung scheint nicht jedem gegeben. Selbstbeherrschung scheint wohl auch nicht erstrebenswert, denn unsere Kulturen fordern dies nicht von einem Mann. Er soll forsch, erfolgreich und durchsetzungsfähig sein. Selbstbeherrschung bildet keine Grundlage für diese Anforderung.

Im Laufe der Jahrtausende hat sich ein Gesellschaftssystem herausgebildet, das kulturübergreifend Besitz zum wichtigsten Faktor erklärt hat. Es reicht nicht mehr, ein Dach über dem Kopf zu haben; es ist nicht mehr ausreichend, genug zu essen und zu trinken zu haben; es genügt nicht mehr, warme Kleidung zu tragen und witterungsgeschützt im Kreise des Clans zu leben. Liebe, Freude und Vertrauen stehen nicht mehr an der Spitze der erstrebenswerten Ziele. Reich wollen möglichst viele Menschen sein, denn das scheint als einziges das Überleben zu gewährleisten.

Die Möglichkeit, Reichtum zu erwerben, ruht zumeist in den Händen der Männer. Sie können sich frei und ohne jede Beschränkung bewegen. Alles, was sie verwalten, unterliegt ihrer Hoheit. Irgendwann wurde dann auch die Frau an ihrer Seite zum Besitz. Von nun an folgte sie ihm auf Schritt und Tritt. Er schien ihr Schutz zu gewähren, während sie nie gelernt hatte, für den eigenen Schutz zu sorgen.

Was ist uns durch diese Entwicklung verloren gegangen?

Mit dieser Verschleierung, dieser persönlichen Kaserne, diesem weiblichen Gefängnis besteht für keinen der beiden Geschlechter mehr die Möglichkeit, aufeinander zuzugehen. Keiner von beiden weiß, ob das Gegenüber sympathisch und akzeptabel ist. Verbindungen müssen arrangiert werden, denn andernfalls kommen sich beide Seiten nie nahe genug, eine eigene tragfähige Entscheidung zu treffen, um eine Verbindung einzugehen. So wählt der Vater der jungen Frau auf den Antrag des jungen Mannes hin, ohne dass das junge Paar eine Chance hätte, aufgrund gegenseitiger Sympathie eine Verbindung anzustreben.

So verlieren beide Seiten. Liebe ist keine Grundlage, sie konnte vorher nicht entwickelt werden. Freude ist nicht damit verbunden, denn Begeisterung ist nie entstanden. Vertrauen ist nie gereift, denn eine Seelenverbindung ist chancenlos.

Grundlage ist der Sex als Möglichkeit der Vermehrung. Kinder werden in solchen Kulturen zur einzigen Projektionsfläche menschlicher Gefühle. Jenseits der Absicht zur Vermehrung wird sogar innerhalb solcher arrangierter Verbindungen der Sex als böse und gotteswidrig definiert (Christentum). Die körperliche Erneuerung der Frau, die Menstruation, wird als „unrein“ definiert (Christentum und Islam). Fließendes Blut wird zwar imitiert, aber es betrifft kriegerisches oder opferndes Verhalten (Männer säen, aber sie bluten nicht). Am Ende steht oft der Heilige Krieg, der in die Außenwelt verlagert ist. In der Tat – beide Seiten haben verloren! Denn auf Liebe, Freude und Vertrauen fußt unser aller Gesundheit.

Gisa

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