Die Mutter

Gisa, Mai 2017

In allen Religionen wird die Mutter als Schöpferin des Seins unterschlagen; auch in den Naturwissenschaften der heutigen Zeit. Früchte fallen unter den Elternbaum. Niemand, wirklich niemand kennt den Vaterbaum, denn die Pollenträgerin Biene, Hummel, Fliege etc. wird uns kaum sagen können, woher dieser Pollen stammt. Unter den Tausenden von Pollen an ihren hintersten Beinen können wir mitnichten erkennen, welche Pflanze sie vorher angeflogen hatte. Die Mutterpflanze hingegen ist uns bekannt, denn sie trägt die Frucht, die sie aus ihrer Kraft heraus gebildet hat. Alle Mütter bilden ihre Kinder aus ihrer eigenen Kraft; kein Vater gibt „Power“ dazu, er liefert nur sein Pollenkörnchen ab, fälschlicherweise bei Säugetieren auch „Samen“ genannt. Nein, der Samen ist das, was die Mutter produziert, erweitert aber nicht grundsteingelegt durch das Pollenkorn. Dies beweist sich durch die Parthenogenese, die Jungfrauen-Zeugung.

Ebenso ergeht es uns mit allen Religionen. Es sind irgendwelche Väter, hochstilisiert zu „Gott“, die die Welt geschaffen haben sollen. Dies ist ein äußerst unlogischer Gedanke, denn Väter haben von der Herausbildung, vom Nähren und Wachsenlassen der Frucht keinerlei Ahnung – sie haben es nie gemacht. Sie haben nie Kraft dort hinein investiert – weder in die Erdbeere, noch  in das Ei des Vogels oder in das Baby der lebensgebärenden Mutter.

Auf irgendeiner Ebene muss das diesen Vätern bewusst sein, denn in allen Arbeiten, Nachrichten und Schöpfungsmythen der Religionen wird die Existenz der Mutter als Schöpferin unterschlagen. Sie wird totgeschwiegen. Stattdessen spricht man heute von Evolution, die sich etwas Tolles ausgedacht hat. Oder vom Urknall (DER Knall), durch den das Universum ins Leben trat. Vorher war das Nichts, dessen Schöpfer eine Welt erstehen ließ. Vorher war ein Zustand, den man mit heutigen Mitteln nicht erfassen kann; so sagt die Astrophysik.

Der Gedanke, einmal über die Mutter (notfalls als Göttin) nachzudenken, ist keinem Religionsmacher in den Sinn gekommen. Oder falls doch, so wusste er es gut zu verbergen.

Neuerdings muss die Quantenphysik herhalten. In esoterischen Kreisen wird vom „Aufstieg“ geredet, von Engeln / Thronen, die zum Himmel führen. All das liegt irgendwo unfasslich in einer Sphäre, die uns unerreichbar ist, während das pulsierende Leben um uns herum aus dem Sichtfeld rückt. Wir essen zwar die Eier einer Henne und trinken die Milch einer Kuh, beides von Müttern. Aber so hochtechnisiert, wie wir heute leben, sehen wir weder Henne noch Kuh. Sollten wir wirklich wissen, wie diese Muttertiere aussehen, so ignorieren wir es, während die Schachtel aus dem Regal in den Einkaufswagen wandert.

Wir wissen auch, dass unser junges Kätzchen vorher bei der Mutter-Katze gut behütet an den Zitzen getrunken hat; ebenso der Welpe, der irgendwann unser hündischer Begleiter wird. Doch auch da ignorieren wir das Muttertier, das das Zustandekommen überhaupt erst bewirkt hat.

Wir wissen inzwischen, dass das Ei die Spermie auswählt und nicht umgekehrt. Aber der Vater des Kindes ist immer noch der Besitzer. Sagt die Frau bei der Geburt nicht, wer der Vater ist, bekommt sie vom Jugendamt einen Vormund „an die Seite gestellt“; dies macht dann den Staat zum Vater.

Das Wort „Vater“ ist abgeleitet vom lateinischen Wort pater. Die alten Römer, denen wir diesen Begriff verdanken, dachten dabei nicht daran, wer den Pollen gespendet hatte. Für sie war der pater der Besitzer der familia, der Sklaven und Knechte, der Frauen, Kinder und Männer. Genau dazu machte ihn die lex romana, das römische Gesetz. Über seine familia konnte der pater frei verfügen, auch über Leben und Tod nach eigenem Gutdünken. So mehrte der pater sein Kapital.

Auch das Wort „Kapital“ danken wir den Alten Römern. Es leitet sich ab von caput = Kopf. Nach Köpfen wurden die Reichtümer der indogermanischen Hirtennomaden gezählt, die als Begründer der Religionen gelten. Je mehr Köpfe, desto reicher. Damit die wenigen Reichen die zahlreichen Armen regieren konnten, erfanden sie „Gott“. Diese imaginäre „Licht“-Gestalt befand sich irgendwo im „Himmel“, der sich zum Pantheon auswuchs, denn auch Gott wollte nicht allein sein. Vormals war Gott der Ehrentitel des Helden der Göttin / Natur gewesen, also der geehrte Sohn von Mutter Erde-und-Himmel. Aber dann probte er durch die Hirtennomaden den Aufstand. Je nach Religion verschieden wurden es mehrere Gottheiten; und auch die abrahamitischen Religionen haben einen solchen Götterhimmel (Gott und Teufel sind dort in Augenhöhe und wie in der Hiob-Geschichte schließen sie beispielsweise Wetten ab).

All diese Religionen setzten die Mehrzahl der Menschen unter Druck, um den HERRschaftsschicht zu dienen. Die Mütter wurden ignoriert bzw. wie Vieh zur Mehrung des Kapitals gehalten. Ihre Leistung, die in der Schaffung und dem Nähren des Lebens besteht und immer schon bestanden hat, wird bis zum heutigen Tag ignoriert.

Heute sind wir spirituell. Letztlich meint das ein geistiges Prinzip. Die MATERie, das Muttersein unseres Lebens im Hier und Jetzt ist nicht mehr gut genug. Unser Heil, so philosophieren die Lehrer der Spiritualität, findet sich im modernen Himmel, der vom Nirwana bis zum Paradies reicht, und dessen Zulieferer oft genug Engel sind, die noch kein Mensch gesehen hat – eben so wenig wie Gott. Was wir sehen können – unsere Mutter Erde –, ignorieren wir – immer noch wie der berüchtigte Teufel das Weihwasser. Was wir anfassen können, ist nicht gut genug. Die Wunder des Waldes und der Steppen, der Luft und der Meere, all diese handfeste Natur ist nicht gut genug, um uns darauf zu berufen, denn Mütter sind es nicht wert, uns ihrer zu erinnern. Eher bringen wir sie gegen uns auf oder wir verdammen sie als „schlechte Mütter“, „Rabenmütter“ oder „Karrierefrauen“, die sich nicht wie die Löwin um ihre Jungen kümmert.

Wir verlagern unser Sein in einen intellektuellen Kopf und ignorieren den Bauch, der über ein zweieinhalbfach größeres Gehirn verfügt. Denn dieser Bauch erschafft die Kinder. Solche Lehrer wollen offensichtlich nichts mehr von ihrer Mutter wissen und verbannen sie mit Totschweigen in die Unendlichkeit einer üblen Hölle.

Diese Mutter, stellvertretend unsere eigene; diese Natur, die alles in Hülle und Fülle zur Verfügung stellt, als pralles Leben die heitere Freude im Hier und Jetzt sein kann, wird mit Abstinenz gestraft. Wir wollen doch nüchtern sein. Wir wollen gesund leben, keine Tiere essen, nur die stummen Pflanzen konsumieren, weil sie ja nicht weglaufen können; weil sie nicht schreien und wir sie nicht hören.

Den neuen Gott nennen wir „Evolution“ und sein Werkzeug die „Gene“. Mit aller Kraft wollen wir ihn verstehen; samt seinem Werkzeug. Doch das, was uns Freude bereiten könnte, was wir tief im Inneren lieben wollen und auf was wir vor allem in der Not vertrauen wollen – das übersehen wir, während wir bemüht sind, unseren Reichtum zu mehren. Wir laugen Mutter Erde aus, um noch reicher zu werden, es noch bequemer zu haben und um einer scheinbaren Sicherheit zu frönen. Wir sind auf dem besten Weg in Richtung Abgrund und täuschen uns mit Spiritualität darüber hinweg.

Wir spüren dies auch, denn wir sind gequält von Ängsten, Gier, Terror, Eifersucht und Wut. Wir leiden zutiefst darunter, von unserer Mutter nicht zu wissen, der die Menschheit über 200.000 Jahre anhing, und mit der es allen so gut ging, dass auf Kriegsberichterstattung, also Geschichtsschreibung, verzichtet werden konnte.

So lassen wir unsere Mutter, von der wir alle ein Teil sind, einfach im Stich. Wir sollten uns nicht wundern, wenn eben diese Mutter irgendwann zu schwach geworden ist, uns trotzdem noch liebevoll durchzufüttern.

Mutter aller Götter und Menschen, gib uns das Licht, Dich zu erkennen, und die Weisheit, in Deine Arme zurückzukehren.

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