Krankheit

Gisa, 6. März 2018

In unserer Gesellschaft entsteht Krankheit in erster Linie durch die Unausgewogenheit weiblicher und männlicher Bewertung innerhalb einer patriarchal angelegten Struktur.

Wir leben eine Gesellschaft, in der eine Vater-Mutter-Kind-Kernfamilie angenommen wird. Dies ist falsch und führt zu falschen Aktionen bzw. Reaktionen. Schon das Wort „Familie“ ist unnatürlich, denn es bedeutet den Herrschaftsbereich des Mannes über die Frau und die Kinder. Dies datiert aus dem alten römischen Recht, wo der „pater familiae“ der Herrscher über seinen Besitz war. Zu diesem Besitz zählte alles, was an Menschen und Tieren sowie an Land und Gebäuden vorhanden war. Dieses Recht reichte bis zur Entscheidung über Leben und Tod.

Als Grundvoraussetzung für eine moderne Gruppe überfordert diese Struktur sowohl Männer als auch Frauen mit den entsprechenden Folgen. Sofern wir begriffen haben, dass Sklaventum und Knechtschaft nicht mehr unsere Grundlage bilden können und wir unseren gesellschaftlichen Aufbau entsprechend verändert haben, müssen wir auch diese Gruppenorganisation der Familie aufgeben. Andernfalls erzeugen wir Krankheiten, die sich aus der Fehleinschätzung der eigenen Position heraus ergeben.

Beim Familien-Bild sind Männer überfordert, denn sie glauben, Gruppenentscheidungen treffen zu müssen, zu denen ihnen die Grundlagen fehlen. Da Männer alles möglichst „ein für allemal“ versuchen zu erledigen, sollte jede Entscheidung für immer und ewig wirksam sein. Frauen hingegen wissen instinktiv um die Entwicklung des Lebens und dass eine jede Entscheidung nur für den Moment Gültigkeit hat.

Frauen erleben dieses Sich-Entwickeln bei allen Gelegenheiten. Sie erleben es spätestens mit jeder Schwangerschaft, in der sich täglich die Umstände ändern; nach der Geburt auch gut erkennbar und beobachtbar.

Männer sind Reisende, die Neues erleben wollen. Sie setzen ihre Kräfte ein, um das Leben zu „erobern“. Frauen hingegen bemühen sich, ihre Gruppe täglich gut zu versorgen und angepasst an die Gegebenheiten mit Nahrung, Schutz, Hygiene, Liebe und Freude auszustatten. Die sozialen Bedingungen werden durch die Frauen geschaffen; die Sozialisation der Gruppenmitglieder erfolgt ebenfalls über die Frauen. Frauen sind also eher standorttreu und ein fester Faktor in der Gruppe, auf den sich alle verlassen. Innerhalb der Gruppe sollte deshalb auch alles mit der Frau und Mutter vereinbar sein. Männer erscheinen in diesen Gruppen nur „zu Besuch“ bzw. zum Essen, Trinken, Freizeit und Schlafen.

Natürlich gibt es bei beiden Geschlechtern Variationen zu dem Thema, es gibt häusliche Männer und reisende Frauen. Aber die natürliche Grundlage ist anders angelegt.

Wozu führt es, wenn Männer Hausmänner und Frauen Karrierefrauen werden?

Daraus leiten sich falsche Anforderungen ab, falls dies nicht aus dem eigenen Antrieb heraus passiert sondern durch eine gesellschaftliche Erwartungshaltung. Beide Geschlechter glauben nun, ihren Aufgaben nicht gerecht werden zu können. Ständige Pflege von Seiten eines Mannes oder ständige Abwesenheit der Mutter von ihrer Familie hinterlassen das Gefühl, ständig etwas „falsch“ gemacht zu haben. Es katapultiert beide Geschlechter aus ihrer natürlichen Mitte.

Da unser Gesellschaftsmodell keine Lösungen für diesen Konflikt anbietet, suchen die Betroffenen den „Fehler“ bei sich selbst. Da „Fehler“ negativ besetzt sind, werden alle versuchen, es nicht zuzugeben. Vielmehr bemühen sie sich, nun den gesellschaftlichen Anforderungen zu entsprechen. Männer neigen dann zu Hau-Ruck-Lösungen, Frauen ziehen sich teils angstvoll in den Hintergrund zurück.

Dies hat entsprechende Folgen im täglichen Leben. Im Beruf wird die Frau sich für unterlegen halten und jede schlechte Bezahlung akzeptieren, ohne sie in Zweifel zu ziehen. Sie wird gegen eine gläserne Decke stoßen, ohne zu ahnen, woher diese kommt.

Männer suchen nach Lösungen für tägliche Schwierigkeiten in einmaligen Aktionen. Krankheiten könnten schließlich durch Impfung verhindert werden. Dafür werden sie plädieren; ohne nachzudenken, denn das würde soziale Kompetenz erfordert, zu der sie nicht geführt worden sind. Kranke Kinder zu pflegen liegt nicht in ihrem Potential; auch nicht das Händchen-Halten oder phantasievolle Momentmaßnahmen. Täglich ein neues Essen zu kochen, wird schwierig; Fertiggerichte machen es wesentlich einfacher. Täglich die Betten zu machen und das Haus sauber zu halten, zu spülen und die Wäsche zu waschen, ist kein erkennbares Ziel. Dies wird anders, wenn es der Beruf erforderlich macht. Doch Haushalt und Kinder werden seit 5000 Jahren nicht als Beruf wahrgenommen. Somit werden es nur wenige Männer sein, denen diese Aufgaben leicht fallen und Freude bereiten.

Viele Frauen werden sich, um zu den Männern in Augenhöhe zu geraten, an die männliche Sicht anpassen. Die Anforderungen, die eine berufstätige Mutter zu erfüllen hat, erzwingen viele Maßnahmen, die einer Gruppe nicht gerecht werden können – sie sind von Männern und ihrem Bild der Berufstätigkeit entwickelt worden. Diese Vorstellungen können den Kern der Gruppe nicht erfassen und fordern deshalb eine Anpassung an das „normale“ Berufsleben.

Die Folgen bestehen dann schnell aus Baby-Hort, Kindergarten und Ganztagsschule; möglichst mit Verköstigung. Den Kindern wird die Chance auf persönliche Sozialisation entzogen und die Mütter arbeiten mit teils schlechtem Gewissen in einem ungeliebten und oft unterbezahlten Job. Die Kinder werden nur in den Bereichen geschult, die dem Wirtschaftsleben nützlich sind (Beruf) und die die Gruppe vernachlässigen.

Wenn Frauen sich immer noch ständig unterordnen müssen, ohne die eigenen Stärken leben zu können, entwickeln sie Ängste. Da diese gesellschaftliche Entwicklung pathologisiert worden ist und wir zwangsläufig den Arzt aufsuchen müssen, wenn wir nicht arbeiten können, geraten sie in die Medikamentenfalle: Beruhigungsmittel sollen „ein für allemal“ das Problem aus der Welt schaffen. Psychotherapie soll deutlich machen, dass die Frau sich „falsch“ verhalten hat; sie soll sich ändern und besser in diese Gesellschaft einpassen. Daran soll sie dann „arbeiten“.

Wenn Männer ständig als Hausmann mitwirken sollen, werden sie oft laut und heftig, denn die „ein für allemal“-Lösung klappt meist nicht. Schon nach dem nächsten Essen steht wieder Spül herum; nach dem nächsten Tag liegt wieder Wäsche im Badezimmer und die Toilette ist nach der nächsten Benutzung auch nicht mehr sauber. Männer fühlen sich in ihrer Einmaligkeit nicht bestätigt und geraten unter Stress. Sie versuchen, mit speziellen Aktionen ihr Ansehen zu verbessern, aber der tägliche Kleinkram bleibt liegen. „Augen zu und durch“ funktioniert beim Besteigen des Mount Everest, aber nicht in der Versorgung der Familie. Den Mount Everest besteigen wir genau einmal; dann wissen wir, dass wir das können. Ob wir die liebevolle Versorgung der Familie schaffen, wissen wir erst nach 20 Jahren; das ist somit außer Sichtweite. Das ist kein Ziel, bei dem es eine Ehrenurkunde gibt; auch keine anständige Rente, kein nennenswertes Ansehen.

So geraten beide Geschlechter wegen der falschen Vorstellungen von „Familie“ unter Druck und können den Anforderungen nicht gerecht werden. Beide sind unzufrieden und der persönliche Konflikt ist vorprogrammiert; ebenso wie die „Krankheit“. Denn dort, wo wir keine Lösungen finden, weichen wir in die Ignoranz aus und verschieben auf diesem Weg die gesamte Problematik in den körperlichen Bereich. Wenn wir jetzt ausfallen, dann erfolgt das schuldlos, denn es sind immer „böse Erreger“, die uns belasten. Zu der Diagnose „krank durch kranke Gesellschaft“ können wir uns nicht entschließen.

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